Nach sehr langer Zeit gibt es nun wieder eine Buchbesprechung von mir: Die Dynastie Luxemburg-Nassau / La dynastie Luxembourg-Nassau 1890-2015 von Marc Schoentgen (Fotograf) und Pierre Even (Texte). Das vorliegende Buch ist ein Bildband über die Großherzogliche Familie von Luxemburg. Auf 224 Seiten gibt es viele Abbildungen zu sehen, darunter Gemälde, Fotografien und Dokumente sowie persönliche Besitztümer der Großherzöge und Großherzoginnen. Die Begleittexte zu den Fotos sind auf Deutsch und Französisch, die neben Lëtzebuergesch offizielle Landessprachen im Großherzogtum Luxemburg sind.
Das Buch beginnt mit einem kurzen Interview der beiden Autoren Marc Schoentgen und Pierre Even, in dem sie darlegen wie es zu der Idee für ihr Buch und schließlich zur Verwirklichung kam. Das erste Kapitel widmet sich Großherzog Adolph von Luxemburg, Regierungszeit von 1890 bis 1905. Auf zwei Seiten gibt es eine kurze Biographie. Hier erfahren wir auch weshalb Adolph, Herzog von Nassau, die Thronfolge in Luxemburg nach 75-jähriger Personalunion mit den Niederlanden antrat. Grund hierfür war der Tod des Königs-Großherzogs Wilhelm III. der Niederlande, der "nur" eine Tochter Wilhelmina hinterließ, die wegen der geltenden männlichen Thronfolge nicht in Luxemburg herrschen durfte. Für Adolph, dessen Herzogtum Nassau von Preußen nach dem Deutschen Krieg von 1866 annektiert wurde, und der im Exil lebte, war Luxemburg eine große Chance. Der Großherzog wurde sehr schnell populär in seiner neuen Heimat. Auch Adolphs Privatleben wird beleuchtet, er war zweimal verheiratet, zuerst mit Großfürstin Elisabeth Michailowna von Russland, die bei der Geburt ihres ersten Kindes starb und für die in Wiesbaden eine russisch-orthodoxe Kirche errichtet wurde. Die zweite Ehe ging er mit Prinzessin Adelheid Marie von Anhalt ein. Aus dieser Verbindung stammen die beiden einzigen überlebende Kinder Wilhelm und Hilda, die später Großherzogin von Baden wurde. Großherzog Adolph starb mit 88 Jahren und wurde in Luxemburg tief betrauert.
Die Fotos zeigen einige Dinge aus dem Besitz von Großherzog Adolph, wie seine Epauletten und Pickelhaube, die er nur einmal bei Amtsantritt trug weil sie für eine preußische gehalten wurde, und die Luxemburger irritierte. Dazu kommen noch mit Öl und Pastell gemalte Gemälde, und Briefmarken mit dem Bild des Großherzogs. Auf den Bildern ist auch das Wappen Adolphs zu sehen, außerdem ist er auch in Kirchenfenstern verewigt. Alte Zeitungsausschnitte berichten über die Inthronisierung des neuen Großherzogs. Auch eine Brille von Adolph und seine Orden werden im Buch gezeigt. Besonders ist das Foto auf Seite 38, es zeigt Adolph und Adelheid Marie zum 50. Hochzeitstag. Das Lebensbild Adolphs wird durch Fotos seiner Residenzen abgerundet, die nassauischen Schlösser in Weilburg und Wiesbaden, in Luxemburg das Schloss Berg und der Palais Grand-Ducal, sowie Schloss Hohenberg in Bayern. Eine wichtiger Ort war auch die russische Kirche auf dem Neroberg, wo Adolphs erste Frau Elisabeth und sein Kind begraben liegen. Von Elisabeth ist eine lebensechte Grabskulptur erhalten.
Das zweite Kapitel behandelt Großherzog Wilhelm IV. von Luxemburg, er regierte von 1905 bis 1912. Auch hier gibt es zuerst eine kleine Lebensbeschreibung. Wilhelm IV. war bis zur preußischen Annexion Nassaus der Thronfolger und begab sich mit seinen Eltern ins Exil nach Österreich, wo er in die dortige Armee eintrat. Mit dem Aussterben der männlichen Linie des niederländischen Königshauses wurden die Karten neu gemischt, und Wilhelm fand sich als Erbgroßherzog von Luxemburg wieder. Nach längerem warten konnte Wilhelm seine Eheschließung mit Infantin Maria Anna von Portugal feiern, sein Vater Adolph hatte sich gegen die Ehe ausgesprochen, weil die Braut römisch-katholisch war und das Haus Nassau evangelisch. Aus der Verbindung gingen sechs Töchter hervor - die katholisch getauft wurden - aber kein Sohn der die Thronfolge sicherte. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass die Nassauer, die durch das Fehlen eines Mannes auf den luxemburgischen Thron gekommen sind, schon zwei Generationen später vor dem gleichen Dilemma standen... Schließlich setzte der schon länger kränkliche Wilhelm IV. durch, dass seine älteste Tochter Marie Adelheid ihm als Großherzogin nachfolgen konnte. Da die Mehrheit der Luxemburger katholisch war, gab es auch hier keine Probleme.
Der Bildteil fällt wegen der kurzen Leben- und Regierungszeit von Großherzog Wilhelm IV. eher kurz aus. Auch hier gibt es verschiedene Gemälde des Großherzogs und seiner Familie, darunter eines die Wilhelm mit seinem Vater bei der Jagd in Bayern zeigt. Es sind ebenso Monogramme des Großherzogs und seiner Ehefrau zu finden, die überall im Schloss angebracht wurden. Den Abschluss den Kapitels bildet ein Foto des Sargs von Großherzog Wilhelm IV. mit gestürztem Wappen, welches zeigt das er der letzte Nassauer im Mannesstamm war.
Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der ersten Großherzogin: Marie Adelheid. Sie herrschte von 1912 bis zu ihrer Abdankung 1919. Wie schon in den anderen beiden Kapiteln, gibt es auch hier zuerst einen Überblick über das Leben Marie Adelheids. Sie wurde mit 17 Jahren Nachfolgerin ihres Vaters, und Marie Adelheids Mutter führte die Regentschaft bis zu deren Volljährigkeit. Die junge Großherzogin war sehr religiös und wollte nicht heiraten. Zwei Jahre nach ihrer Thronbesteigung begann der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918). Die Großherzogin konnte nicht verhindern, das Luxemburg von deutschen Truppen besetzt wurde. Um das Leiden zu lindern Gründete Marie Adelheid das Luxemburgische Rote Kreuz. Großherzogin Marie Adelheid empfing widerwillig Kaiser Wilhelm II., um mit ihm zu sprechen um ihren Landsleuten zu helfen, was ihr aber später negativ ausgelegt wurde. Dann gab es auch noch die Verlobung von Marie Adelheids Schwester Antonia mit dem bayerischen Kronprinzen Rupprecht, der Oberbefehlshaber in der deutsche Armee war, die Luxemburg besetzt hatte... Das führte nun dazu das nach Kriegsende die Großherzogin angekreidet wurde, deutschfreundlich zu sein, und die Kriegsgegner Frankreich und Belgien sich Luxemburg einverleiben wollten. Großherzogin Marie Adelheid musste wegen des Drucks abdanken und starb, nur 29 Jahre alt, in Bayern.
Bei den Bildern sind alte Postkarten mit Marie Adelheid und ihren fünf Schwestern abgedruckt. Dazu gibt es noch viele Bilder und Fotos der jungen Großherzogin. Auf Seite 88 ist eine schöne Abbildung die Marie Adelheid mit drei Schwestern zeigt. Die Abdankungsurkunde findet man hier ebenso. Zum Abschluss gibt es eine Aufnahme von Großherzogin Marie Adelheid auf dem Totenbett, sowas war früher normal auch wenn es heute ungewöhnlich ist. Auch Trauerkarten um an die verstorbene zu erinnern waren im Umlauf.
Die vierte Person, deren Leben gewürdigt wird, ist Großherzogin Charlotte. Ihre Regentschaft dauerte von 1919 bis zu ihrer Abdankung 1964. Als zweite Tochter dynastisch wenig interessant, wurde sie durch die Abdankung Marie Adelheids zur wichtigen Figur. Nach einem Referendum sprachen sich über 77% der Luxemburger für die Beibehaltung der Monarchie unter Charlotte aus. Im Gegensatz zu ihren Schwestern, die fast alle deutsche Prinzen heirateten, fand Charlotte einen Partner, der auch Frankreich genehm war - obwohl er im Krieg in der österreichischen Armee gedient hatte: Prinz Felix von Bourbon-Parma. Das Paar bekam sechs Kinder, darunter Erbgroßherzog Jean. Auch Charlottes Zeit als Großherzogin sollte nicht friedlich bleiben: Die Wehrmacht besetzte 1940 Luxemburg und die großherzogliche Familie ging ins Exil. 1945 kehrte sie zurück und übergab 19 Jahre später den Thron an ihrem Sohn Jean. Sie starb mit 89 Jahren und überlebte alle ihre fünf Schwestern.
Im Fototeil gibt es viel zu sehen: Gemälde und Schmuckstücke aus dem Besitz von Großherzogin Charlotte. Die Luxemburger waren während der Besatzung im Krieg sehr kreativ, sie bastelten aus Geldmünzen mit dem Konterfei Charlottes Ringe und Kettenanhänger, die getragen wurden um zu zeigen das die Großherzogin zwar weg, aber nicht vergessen war. Des weiteren wurden auch Geldmünzen und Scheine mit dem Bild von Charlotte abgebildet. Außerdem gibt es ein Foto mit dem Wagen, womit die großherzogliche Familie ins Exil fuhr, und einen alten Ausweis von Großherzogin Charlotte mit dem sie in die USA reiste. Charlotte, eine fromme Katholikin, findet man auch auf christlichen Kirchenbildern, desweiteren wurde ihr die Goldene Rose vom Papst verliehen. Nach Großherzogin Charlottes Tod wurde eine Statue aufgestellt, dessen Abbildung sich im Buch wiederfindet. Als finales Bild sieht man ihre Ruhestätte in der Krypta.
Im nächsten Kapitel geht es um Großherzog Jean, seine Regierungszeit war von 1964 bis zu seiner Abdankung im Jahr 2000. Erbgroßherzog Jean verbrachte eine unbeschwerte Kindheit und Jugend, bis der Zweite Weltkrieg ausbrach und die Familie ins Exil flüchtete. Er studierte in Quebec, Kanada und trat später in die britische Armee, den Irish Guards, ein. Nach Kriegsende kehrte Jean nach Luxemburg zurück. Jean ehelichte Prinzessin Josephine-Charlotte von Belgien und bekam mit ihr fünf Kinder. Mit der Abdankung seiner Mutter Charlotte wurde Jean zum luxemburgischen Großherzog. Jean und seine Frau waren sehr beliebt bei der luxemburgischen Bevölkerung. Beide reisten viel und setzten sich international für ihr Land ein. Großherzog Jean dankte, wie schon seine beide Vorgängerinnen, ab. Er verstarb 2019 mit 98 Jahren.
Im Bildteil sind Dokumente aus dem luxemburgischen Nationalarchiv und Geldmünzen mit dem Konterfei des Großherzogs zu sehen. Interessant ist der 1$-Fahrradschein für die Stadt Quebec, den Jean wie jeder Fahrradbesitzer bezahlen musste. Gezeigt wird auch die Irish Guards Uniform, welche Großherzog Jean in seiner aktiven Zeit getragen hat. Dazu gibt es eine Waffe aus dem Besitz des Großherzogs mit einem Monogramm, und eine Fahne der luxemburgischen Armee. Auf Seite 177 wird ein schönes Ölgemälde von Jeans Ehefrau Großherzogin Josephine-Charlotte gezeigt.
Der letzte Teil des Buches dreht sich um Henri, seit 2000 Großherzog von Luxemburg. Er wurde Regent nachdem sein Vater abdankte und sich ins Privatleben zurück zog. Großherzog Henri ist mit Maria Teresa Mestre verheiratet, beide sind Eltern von 5 Kindern, darunter Erbgroßherzog Guillaume, dem zukünftigen siebten Großherzog der Dynastie Luxemburg-Nassau. Großherzog Henri ermöglichte den Autoren den Zugang zu den Besitztümern der großherzoglichen Familie.
In dem letzten Teil des Bildbandes kann man den Schreibtisch Henris sowie seine Medaille als Mitglied des Olympischen Komitees bewundern. Wie auch in den anderen Kapiteln, gibt es wieder Gemälde des Großherzogs und seiner Gattin zu sehen. Es gibt auch ein Foto der großherzoglichen Standarte und eines Schachspiel mit silbernen Figuren, die ein Geschenk der jüdischen Gemeinde Luxemburgs an Henri waren. Man kann eine Blick auf den Balkon werfen, von dem die Familie zu besonderen Anlässen winkt. Man erfährt auch, das nach Großherzogin Maria Teresa eine Rosenart benannt wurde. Der Band schließt mit dem Wahlspruch der Nassauer und einem gerahmten Foto der Familie von Henri. Ganz am Ende des Buches gibt es noch einen Stammbaum und eine Chronologie des Hauses Luxemburg-Nassau.
[Meine Meinung]
Das es sonst nicht viele Bücher über die Luxemburger gibt, füllt Die Dynastie Luxemburg-Nassau 1890-2015 schon mal eine Lücke. Der Bildband ist schön gestalten, und es wird jede Abbildung erklärt. Die Fotos sind oft originell, sie legen das Augenmerk auf Dinge die man nicht sofort sieht, wie z. B. die Monogramme von Großherzog Wilhelm IV. und Großherzogin Maria Anna, die an verschiedenen Stellen im Schloss angebracht sind. Einige Bilder zeigen private Dinge, wie Großherzog Adolphs Brille und den Schmuck von Großherzogin Charlotte. Was ich zu bemängeln habe ist, dass die Biographien sehr oberflächlich gehalten sind, man hätte hier noch Anekdoten oder Zitat aus Briefen einbringen können. Wer mehr über die sechs regierenden Großherzöge/Großherzoginnen von Luxemburg und deren Zeit sehen will, ist hier richtig.
Erhältlich bei: Editions Saint-Paul oder im Buchhandel
Buch-Information
Verlag: Editions Saint-Paul (2015), Gebundene Ausgabe, 224 Seiten
ISBN: 2879639743, Sprache: Deutsch/Französisch, Format: 29,1 x 29,2 cm
Preis: 49,00 €
Verlag: Editions Saint-Paul (2015), Gebundene Ausgabe, 224 Seiten
ISBN: 2879639743, Sprache: Deutsch/Französisch, Format: 29,1 x 29,2 cm
Preis: 49,00 €
Felix von Bourbon-Parma war der Cousin 1. Grades von Charlotte, die jeweiligen Mütter waren Schwestern.
AntwortenLöschenHerzliche Grüße
Andrea