Dienstag, 25. April 2017

Rezension: Wilhelm II. und seine Geschwister von Barbara Beck


Nach längerer Zeit habe ich mal wieder eine Buchbesprechung fertig. Dieses Mal geht es um die Familie des letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. - genauer gesagt um seine sieben Geschwister. Auf dem Buchumschlag sind sechs der Geschwister Sophie, Victoria, Wilhelm, Charlotte, Heinrich und Margarethe sowie in der Mitte ihre Mutter Victoria, die Kaiserin Friedrich, zu sehen. "Wilhelm II. und seine Geschwister" hat 256 Seiten, 28 Abbildungen, einen Stammbaum, und diverse Anhänge.

Das Buch beginnt mit einer Einführung der Geschichte der Eltern, Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen und Prinzessin Victoria von Großbritannien, dem ältesten Kind von Königin Victoria und Prinzgemahl Albert. Väterlicherseits gab es König und später Kaiser Wilhelm I. und Augusta, eine geborene Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, die für ihre acht preußischen Enkelkinder oft mehr Fluch als Segen waren. Der Autorin gelingt es auch gut, das königlich-kaiserliche Familienleben zwischen dem schwachen Vater und der energischen Mutter, die beide im Dauerclinch mit Reichskanzler Otto von Bismarck liegen, zu beschrieben. Es kommen auch viele Auszüge und Zitate aus Briefen und Erinnerungen im Buch vor. Die nächsten Kapitel handeln von den Lebenswegen der sieben Kaiser-Geschwistern, die fast eine Jahrhundert umspannen, von der Geburt der ältesten Schwester im Jahre 1860 bis zum Tod der jüngsten Schwester 1954.

Prinzessin Charlotte war, neben ihrem älteren Bruder Wilhelm, das schwierigste der Geschwister. Schon als Kind war sie unberechenbar und kränklich. Als junge Frau entglitt sie der Familie vollends, und arrangierte für sich selbst eine Ehe mit Erbprinz Bernhard von Sachsen-Meiningen, um so aus dem elterlichen Haushalt zu entkommen. Charlotte brachte eine Tochter, Prinzessin Feodora, zur Welt. Bei dieser Tochter wiederholte sich der Mutter-Tochter-Konflikt, der schon das Verhältnis zwischen Victoria und Charlotte ruiniert hatte. Auch als  Prinzessin von Meiningen lebte Charlotte mit ihrer eigenen Familie weiter in Berlin und widmete sich Klatsch und Tratsch, und war möglicherweise sogar in die Kotze-Affäre verwickelt, die im deutschen Kaiserreich für Skandale sorgte. Das Leben von Prinzessin Charlotte war überschattet von einer schweren Krankheit: Porphyria. An der von ihrem Ururgroßvater König Georg III. von Großbritannien von der Mutter übertragene Krankheit litt auch Charlottes einziges Kind, welche später viel Leid ertragen sollte. Das Verhältnis zwischen Charlotte und ihrem kaiserlichen Bruder Wilhelm verschlechterte sich mit den Jahren. Kurz vor Ausbruchs des Ersten Weltkriegs wurde Charlotte durch dem Tod ihres Schwiegervaters noch zur Herzogin von Sachsen-Meiningen. Sie erlebte noch den Sturz der Monarchie und starb knapp ein Jahr später während einer ihrer vielen Kuraufenthalte in Baden-Baden.   

Prinz Heinrich bildete mit seinen beiden älteren Geschwistern eine Gruppe innerhalb der Familie. Besonders nahe stand er Wilhelm. Heinrich wurde früh zum Marineprinzen erzogen und ausgebildet. Ebenso wie Wilhelm und Charlotte enttäuschte auch Heinrich die hohen Erwartungen die seiner Mutter Victoria in ihn gesetzt hatte. Prinz Heinrich machte Karriere in der kaiserlichen Marine, wurde Seemann und später sogar Großadmiral. Er bereiste die Welt, und war als Vertretung seines inzwischen Kaiser gewordenen Bruders, zu Gast in den USA und am chinesischen Kaiserhof. Privat erfüllte Heinrich sich seinen größten Wunsch, er ging eine Liebesheirat mit seiner Cousine Prinzessin Irene von Hessen und bei Rhein ein. Die Hochzeit des Paares war der letzte Auftritt des krebskranken und vom Tod gezeichneten Vaters Kaiser Friedrich III. Aus der Verbindung gingen drei Söhne hervor, von denen zwei an der Bluterkrankheit litten, die die hessische Prinzessin auf die Kinder übertrug. Prinz Heinrich lies sich mit seiner Familie in Kiel nieder, um in der Nähe seiner geliebten Marine zu sein. In seiner Freizeit war Heinrich eine begeisterter Autofahrer und interessierte sich für die Luftfahrt. Mit dem Ersten Weltkrieg wurde er zum Oberbefehlshaber der Ostseestreitkräfte ernannt und führte diesen Posten bis zum ausscheiden Russlands aus dem Krieg aus. Nach dem Kriegsende lebte Heinrich mit seiner Familie zurückgezogen auf seinem Gut Hemmelmark in Schleswig-Holstein. Seinen Bruder Wilhelm besuchte er jedes Jahr im Exil in den Niederlanden. Zehn Jahre nach seiner Schwester Charlotte starb auch Prinz Heinrich - an der Krankheit die schon seinen Vater umbrachte.

Prinz Sigismund und Prinz Waldemar, die Kinder vier und sechs der Familie, lebten nur kurz. 

Prinz Sigismund wurde nur 21 Monate alt und starb an Meningites während des Preußisch-Österreichischen Krieges von 1866, als alle Ärzte im Fronteinsatz waren. Prinz Waldemar, war der Liebling seiner Eltern, und wurde den älteren Söhnen Wilhelm und Heinrich vorgezogen. Sein Tod mit 11 Jahren an Diphtherie stürzte Vater und Mutter in Verzweiflung. Nach ihrem Tod wurden beide Jungen verklärt und lagen wie Schatten über ihren älteren Brüdern, die in allen Sachen eine Enttäuschung für die Eltern waren.



Für das früher so erfreuliche Familienleben im Hause des Kronprinzen wirkte es sich in den kommenden Jahren im hohem Maße ungünstig aus, dass den beiden verlorenen Kindern ein Ausmaß an Perfektion zugeschrieben wurde, das die Lebenden Kinder beim besten Willen niemals erlangen konnten. Wilhelm II. und seine Geschwister, Seite 128


Prinzessin Victoria, die zweite Tochter, war der besondere Liebling ihrer Mutter, die den drei jüngsten Kindern am nächsten stand. Über die Kindheit und Jugend der Prinzessin erfährt man sonst nicht viel. Erst in Erscheinung tritt Victoria als junge Frau, die sich in den falschen Mann verliebt. Prinz Alexander von Battenberg, Fürst von Bulgarien, braucht eine Braut um seine Position zu sichern. Nachdem zwei seiner Brüder in die Familie von Königin Victoria von Großbritannien eingeheiratet haben, was lag da näher als eine ihrer vielen Enkelinnen zu ehelichen.. Gegen diese Heirat, und damit in die Probleme in dieser Region verwickelt zu werden, standen Otto von Bismarck, Kaiser Wilhelm I., Kaiserin Augusta und Bruder Wilhelm im Nein-Lager. Aus hin und her der nächsten Jahre, auch Battenberg-Affäre genannt, ging vor allem auf Victorias Mutter zurück, die nicht einsehen wollte das es mit der Opposition keine Hochzeit geben wird. Ihre Tochter Victoria machte sich weiter Hoffnung, die aber endgültig am Veto Kaiser Wilhelms II. scheiterte. Schließlich wurde eine Verbindung mit Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe arrangiert. Die Ehe blieb zum großen Kummer Victorias kinderlos. Das Paar lies sich in Bonn nieder, wo sie das Palais Schaumburg bewohnten. Noch einmal sah es so aus als würde Victoria Fürstin werden, doch im Lippischen Thronfolgestreit hatten die Linie Schaumburg-Lippe das Nachsehen, obwohl Kaiser Wilhelm II. auf der Seite seiner Schwester stand. Der Erste Weltkrieg war für Victoria ein Dilemma, durch ihre Mutter anglophil erzogen, standen sich Deutschland und England feindlich gegenüber. Im Krieg starb dann auch noch ihr Ehemann. Mit Kriegsende und Inflation verschuldete Victoria sich stark. Gegen Ende ihres Lebens tauchte dann noch ein Mann auf, den über 30 Jahren jüngeren Alexander Zoubkoff, in dem sie ihre große Liebe sah und heiratete. Victoria war auf einen Hochstapler hereingefallen der ihr restliches Geld veruntreute und sie mittellos zurück lies. Wenig später starb Prinzessin Victoria.

Prinzessin Sophie war die vorletzte Schwester von Kaiser Wilhelm II. Auch über ihre Kindheit und Jugend ist nicht viel bekannt. Sie kam ein Jahr nach dem Tod ihres Bruders Waldemar zur Welt. Wie ihre Schwester Victoria stand sie ihrer englischen Mutter sehr nah. Als junge Frau lernte Sophie Kronprinz Konstantin von Griechenland kennen, der in der Preußischen Armee ausgebildet wurde. Das Paar heiratete als Sophie 19 Jahre alt war. Kronprinzessin Sophie folgte ihrem Gatten nach Griechenland. Von Athen gab es einen regen Briefwechsel mit Mutter Victoria, der erhalten geblieben ist. Sophie wurde gut in ihrer neuen Familie angenommen und fühlte sich heimisch. Ihre Entscheidung auch den griechisch-orthodoxen Glauben anzunehmen, führte zu einem Zerwürfnis mit ihrem Bruder Wilhelm II. und Schwägerin Auguste Viktoria. In ihrer Ehe brachte Sophie sechs Kinder zur Welt. In Griechenland war das Leben nicht leicht, da es ständig Unruhen gab. Das der Kaiser auch noch den Türken, den Feinden der Griechen, bei der Organisation ihrer Armee half, sorgte auch für keine Annäherung der Geschwister. Nach der Ermordung ihres Schwiegervaters Georg I. wurden Sophie und ihr Ehemann Konstantin König und Königin von Griechenland. Lange konnten sie sich nicht auf den Thron halten, da die Neutralität Griechenlands im Ersten Weltkrieg nicht von Frankreich und England anerkannt wurde. Sophie und ihr Gemahl mussten ins Exil gehen. Nur der zweite Sohn Alexander durfte als König im Land bleiben. Nach dessen frühen Tod durch einen Affenbiss, bei dem Sophie nicht zur Beerdigung kommen durfte, kehrten sie und Konstantin als Königspaar zurück. Auch dieses Mal konnten sie sich nicht lange halten, nach einem missglückten Feldzug gegen die Türkei war wieder Exil angesagt - in Italien. Sophie starb in Frankfurt am Main, in der Nähe ihrer Schwester Margarethe, an der Krankheit die schon ihre Eltern und Bruder Heinrich zum Opfer gefallen waren.

Prinzessin Margarethe war das Nesthäkchen der Geschwister. Ähnlich wie ihre zwei nächst älteren Schwestern Victoria und Sophie war sie eine Stütze ihrer Mutter, die durch das schlechte Verhältnis mit ihren Sohn Kaiser Wilhelm II. isoliert war. Als Jugendliche verliebte Margarethe sich in Prinz Max von Baden, dem späteren letzten Kanzler des Kaiserreichs, der ihre Gefühle allerdings nicht erwiderte. Prinzessin Margarethe bekam überraschend einen Heiratsantrag von Prinz Friedrich Karl von Hessen-Kassel, den sie nach einiger Bedenkzeit annahm. Aus der Ehe gingen sechs Söhne, davon zwei Zwillingspärchen, hervor. Nach dem Tod von Margarethes Mutter Victoria erbte sie deren Schloss in Kronberg, in welches die Familie übersiedelte. Ihre Freizeit verbrachte Margarethe mit Pferden und reiten. Wie ihre Schwestern, machte auch Margarethe der Kriegsausbruch traurig. Dazu fielen noch ihre beiden ältesten Söhne im Krieg. Gegen Ende der Krieges waren Margarethe und ihr Ehemann für kurze Zeit das gewählte Königspaar von Finnland, welches sich von Russland abgespalten hatte. Aufgrund der deutschen Kriegsniederlage konnte sich das nicht realisieren und die Familie blieb in Hessen. Nach dem Fall der Monarchie musste sich Margarethe in einer anderen Welt wiederfinden. Auch negative Dinge wie, z. B. die NSDAP-Mitgliedschaft zwei ihrer Söhne werden im Buch nicht verschwiegen. In der Zwischenkriegszeit lebte Margarethe zurückgezogen und verbrachte Zeit mit ihrer Familie, die um Schwiegertöchter und Enkelkinder erweitert wurde. Während des Zweiten Weltkriegs verlor Margarethe einen dritten Sohn, sowie zwei ihrer Schwiegertöchter die infolge von Bombenangriffen ums Leben kamen. Als einziges der Geschwister überlebte Margarethe den Zweiten Weltkrieg, als letzter war Kaiser Wilhelm II. 1941 in seinem Exil gestorben. Sie erlebte den Einmarsch der Amerikaner und das Leben unter Besatzung. In ihren letzten Jahren erlebte Margarethe noch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Sie starb als letzte der Kinder von Kaiser Friedrich III. und Kaiserin Victoria, sowie als letzte Schwester von Wilhelm II.




Meine Meinung:

Mir hat das Buch sehr gut gefallen.

Endlich erfährt man mehr über die Geschwister im Schatten des letzten Deutschen Kaisers.
Es gibt einen guten Einblick in das königliche Familienleben, 
welches alles andere als perfekt war.
Der Einfluss von Kaiser Wilhelm II. war für die meisten seiner Brüder und Schwestern nicht gut,
vor allem die jüngsten hatten unter ihm zu leiden.
Positiv ist ebenfalls, das alle Geschwister, auch die beiden jung verstorbenen, 
ein eigenes Kapitel haben, da deren Einfluss auf das Familienleben enorm war.
Auch das was nach Ende des Kaiserreichs mit den Geschwistern passierte, 
wird ebenfalls beschrieben und wie ihr Verhältnis zueinander war.
Es wird viel aus Briefen und anderen Quellen zitiert, was ich sehr wichtig finde.
Zu kritisieren gibt es, das es kaum Informationen zur Kindheit und Jugend
der jüngeren drei Prinzessinnen gibt.
Die vielen schwarz-weißen Abbildungen und der Stammbaum runde das Buch ab.
Bis auf den kleinen Kritikpunkt ist dieses Werk Empfehlenswert.




Erhältlich bei: Friedrich Pustet oder im Buchhandel



Buch-Information
Verlag: Friedrich Pustet (2016), Gebundene Ausgabe mit Umschlag, 256 Seiten
ISBN:  978-3791727509, Sprache: Deutsch, Format: 13,9 x 2,7 x 21,8 cm
Preis: 24,95 €

2 Kommentare:

  1. Wilhelm II. war ein Tyrann für seine Geschwister und für seine Kinder. Alle tun mir heute noch leid, am meisten aber seine Frau. Erben hätte sie ja genug gehabt, doch leider hat es dann keine Monarchie mehr gegeben.

    Und der Einfluss von Otto Bismarck ist auch nicht ohne.

    Schade, dass Viktoria (Schwester) nicht den Mann heiraten darf, den sie liebt.

    AntwortenLöschen
  2. Nachtrag: Friedrich III. und Viktoria waren Cousin/e 4. Grades.

    Herzliche Grüße

    Andrea

    AntwortenLöschen