Freitag, 3. Juli 2015

Rezension: Maria, Kaiserin von Russland – Die Württembergerin auf dem Zarenthron von Marianna Butenschön


Endlich gibt es eine Biographie über eine der in Deutschland weniger bekannten Zarinnen: Maria Fjodorowna, geborene Prinzessin Sophie Dorothea von Württemberg. Auf 424 Seiten und 20 farbigen und schwarz-weißen Abbildungen auf Tafeln wird das Leben der Zarin vorgestellt. Die Autorin Marianna Butenschön kennt sich mit den Romanows aus, sie hat bereits ein Buch über Zarin Alexandra Fjodorowna (Charlotte von Preußen) geschrieben.

 Sophie Dorothea, in der Familie "Dortel" genannt, war dies älteste Tochter von Herzog Friedrich Eugen von Württemberg und Friederike Dorothea von Brandenburg-Schwedt, einer Nichte Friedrichs des Großen. Sie hatte elf Geschwister. Sophie Dorothea kam in Stettin zur Welt, hier war auch schon Katharina die Große, ihre zukünftige Schwiegermutter geboren. Die Kindheit und Jugend der württembergischen Prinzessin wurde in einer harmonischen Familie verbracht, die Ehe der Eltern war gut, was in den Kreisen eher ungewöhnlich war. Ach das Verhältnis zu ihren Geschwistern war eng. Die Erziehung Sophie Dorotheas war ausgezeichnet. Seit ihrer Jugend in Mömpelgard hatte die Prinzessin zwei enge Freundinnen, mit denen sie bis zum Lebensende Kontakt hatte: Anna Juliane Schilling von Canstadt, genannt "Tille" und Henriette Louise d'Oberkirch, genannt "Lanele". Beide kommen im Buch oft vor.

Katharina die Große, selbst gebürtig eine deutsche Prinzessin aus dem Hause Anhalt, suchte für ihren einzigen Sohn Großfürst Paul eine geeignete Ehefrau in deutschen Fürstentümern. Am Ende der längeren Suche waren noch zwei Prinzessinnen auf der Liste: Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Darmstadt und Sophie Dorothea. Auf Grund ihrer Jugend wird "Dortel" nicht die Braut des Großfürsten. Drei Jahre später wird Sophie Dorothea mit dem Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt verlobt. Zu der Ehe kommt es jedoch nicht, weil in Sankt Petersburg die Gattin des russischen Thronfolgers im Kindbett gestorben war, und Katharina die Große und Sophie Dorotheas Großonkel Friedrich der Große sie mit dem Großfürsten verheiraten wollen. Schließlich muss der Erbprinz von Hessen auf seine Verlobte verzichten, um die gute Harmonie mit Russland zu erhalten.

Um Großfürstin von Russland zu werden muss Sophie Dorothea "griechisch" werden, das heißt zum russisch-orthodoxen Glauben übertreten. Da sie bisher nicht konfirmiert wurde, und ihrer Familie im Zuge der Heirat Geld und Posten versprochen wurde, stellte das auch kein Problem dar. Friedrich der Große lädt "Dortel" mit ihrer Familie und Großfürst Paul nach Berlin ein, um sich kennen zu lernen. Das erste Treffen verläuft bestens und Sophie Dorothea und Paul verloben sich. Friedrich der Große, eigentlich sparsam, lässt sich nicht lumpen und veranstaltet große Feste für das Paar. Vor der Reise in ihre neue Heimat hatte der Großfürst seiner zukünftigen Gattin ein Schreiben mit 14 Verhaltensregeln überreicht. Sie solle unter anderen schnell russisch lernen, was ihre Vorgängerin nicht getan hatte.

Zur Hochzeit reiste Sophie Dorothea nach Sankt Petersburg. Vor der Eheschließung kam aber erst der Religionswechsel und aus Sophie Dorothea wurde Maria Fjodorowna. Mit der prachtvollen Hochzeit wurde Maria Fjororowna Großfürstin von Russland und eines Tages Zarin. Die Ehe lief gut an, nicht nur der Ehemann war von seiner neue Gemahlin begeistert, auch die kritische Schwiegermutter Katharina die Große, war von Maria Fjodorowna angetan. Diese litt jedoch an Heimweh. Ein Jahr nach der Hochzeit kam das erste Kind, Sohn Alexander, zur Welt. Katharina die Große nahm den jungen Eltern das Kind weg, das hatte vorher schon Zarin Elisabeth mit Katharinas Sohn Paul getan. Den Namen des Kindes hatten Maria  und Paul auch nicht aussuchen dürfen. Gleiches wiederholte sich mit dem zweiten Sohn Konstantin, der ebenfalls bei der Großmutter lebte.

Das Hofleben forderte von Großfürstin Maria Verstellung, da überall nur Intrigen lauerten. Dem konnte das Paar entfliehen um die "Grand Tour" durch das westliche Europa zu unternehmen. Auf ihrer Reise trafen Maria und Paul in Wien auf Kaiser Josef II., in Neapel auf Königin Maria Carolina und in Paris auf deren Schwester Königin Marie Antoinette. Nach mehr als einem Jahr waren beide wieder zurück in Russland. Das Verhältnis zu Katharina der Großen verschlechterte sich zunehmend. Maria mied den "Großen Hof" so gut es ging. Sie widmete sich ihrem Lebensprojekt: Pawlowsk. Hier lies sie einen großen Park anlegen und Schlösser sowie einen Palast bauen. Pawlowsk wurde ihr Refugium, ihr Werk. In den folgenden Jahren bekamen Marie und Paul drei Töchter: Alexandra, Jelena und Maria. Von der Macht wurde das Thronfolgerpaar weiterhin ferngehalten.

Schon als junge Frau hatte Maria Freude an der Kunst. Sie verbrachte ihre Zeit damit selbst künstlerisch tätig zu werden und brachte es mit dem Steinschnitt auf hohes Niveau. Einige ihrer Werk wurden auch in der Eremitage aufgenommen. An den "Kleinen Hof" taucht eine gewisse Katharina Nelidowa auf, die Großfürst Paul für sich einnimmt. Die großfürstliche Ehe ist in der ersten Krise. Trotzdem bringt Maria zwei weitere Töchter zur Welt: Katharina und Olga, die als einziges der zehn Kinder früh stirbt. Katharina die Große hatte inzwischen eine Ehefrau für ihren ältesten Enkel Alexander ausgesucht. Er heiratet Prinzessin Luise von Baden, die spätere Elisabeth Alexejewna. Die ausgebrochene Französische Revolution verbreitete auch in Russland seine Schrecken. Die Hinrichtung des Königspaares Ludwig XVI. und Marie Antoinette sorgte bei Maria für entsetzen, der Besuch des königlichen Hofes und die freundliche Aufnahme der Königin lag nicht lange zurück. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, wurde auch noch Mömpelgard vom revolutionären Frankreich annektiert und Marias Familie musste fliehen.

Großfürst Paul wurde immer unberechenbarer, so das Maria ihre Rivalin Nelidowa, die sie erst kurz zuvor vom "Kleinen Hof" verbannt hatte, zurück holen musste. Damit sie ihn beruhigen konnte. Auch der zweite Sohn Konstantin wurde in dieser Zeit verheiratet, Katharina die Große hatte für ihn Prinzessin Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld, spätere Anna Fjodorowna, ausgesucht. Maria gebar zwei weitere Kinder: Anna und Nikolaus. Kurz nach der misslungenen Schweden-Verlobung, bei der der zukünftige König Gustav IV. Adolf  von Schweden ihre älteste Enkelin Großfürstin Alexandra stehen lies, starb Katharina die Große. Paul und Maria wurden das neue Kaiserpaar. Die Krönung der beiden wurde ein prächtiges Spektakel:

[Kaiser] Paul setzte sich selbst die Krone auf, dann krönte er die Kaiserin, indem er seine Krone abnahm und mit ihr den Kopf seiner Gemahlin berührte, der sofort die Kleine Krone aufgesetzt wurde. [...] Zum ersten Mal war ein russisches Kaiserpaar gemeinsam gekrönt worden, ein Ritual, das bis zum Ende der Monarchie beibehalten wurde. Maria, Kaiserin von Russland, Seite 190

Glücklich wurde Maria als Kaiserin nicht, ihr Mann hatte eine neue Favoritin, ein Fräulein
Lupochina. Dazu Demütigte er seine Frau auch noch öffentlich. Die Ehe und das Klima bei Hofe
wurde so schlecht, das selbst Katharina Nelidowa, die in der Zwischenzeit eine enge Freundin Marias wurde, ihren Abschied nahm. Maria brachte ihr zehntes und letztes Kind Michael zur Welt. Kaiser Paul I. hatte auch innerhalb kurzer Zeit den mächtigen Adel wegen Verordnungen und Verboten gegen sich aufgebracht. Man plante seinen Sturz...

Nach fünf Jahren als Kaiser wurde Paul I. eines Nachts von adeligen Verschwörern im Michael-Schloss ermordet, weil er nicht abdanken wollte. Ob seine Gattin und der älteste Sohn Alexander davon wussten, dazu gibt es verschiedene Meinungen. Maria, jetzt Kaiserinmutter, trauerte trotz der letzten schlechten Jahre um ihr "Paulchen". Sie pflegte einen regelrechten Totenkult um die Verstorbenen. Neben Paul hatte sie auch ihre älteste Tochter Alexandra, verheiratet mit Erzherzog Joseph von Österreich, im Kindbett verloren. Zwei Jahre später starb auch Tochter Jelena, Gattin des Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin, nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Die nächste Tochter Maria durfte erst später heiraten, sie wurde die nachmalige Großherzogin  von Sachsen-Weimar-Eisenach.

In den nächsten Jahren sorgte Napoleon Bonaparte für Unruhe in Europa. Kaiserinmutter Maria war auf den Korsen und seine Ernennung zum Kaiser der Franzosen schlecht zu sprechen und versuchte ihren Sohn Alexander I. zu beeinflussen. Unter Napoleon I. gab es ein hin und her zwischen Krieg und Frieden. Maria widmetet sich unterdessen der Wohltätigkeit. Sie gründete Institute, Blindenschulen, Findelhäuser und lies Hebammen ausbilden. Nebenbei arbeitete sie weiter an ihrer Kunst und blieb schriftlich mit Familie und Freunden in Kontakt. Maria empfing mit Alexander I. das preußische Königspaar Friedrich Wilhelm III. und Luise in Sankt Petersburg. Maria verstand sich bestens mit den beiden und man besprach eine russisch-preußische Verbindung. Maria hatte als Kaiserinmutter vortritt vor ihrer Schwiegertochter Kaiserin Elisabeth, die  nicht gerne repräsentierte.

Und wieder griff Napoleon Bonaparte in Marias Leben ein. Er marschierte in Russland ein und der Vaterländische Krieg begann. Die Französische Armee drang tief in das russische Reich ein und besetzte sogar Moskau, das in Flamme aufging. Maria hatte in Pawlowsk schon alles für die Evakuierung vorbereitet, auch die Schüler und Kinder ihrer Institutionen sollten in Sicherheit gebracht werden. Doch der Winter machte dem Kaiser der Franzosen einen Strich durch die Rechnung und er musste Richtung Westen fliehen. Die Russen trieben mit ihren deutschen, österreichischen und schwedischen Alliierten die Reste der Grande Armee nach Paris. Maria war Stolz auf ihren Ältesten. Beim Wiener Kongress gab Alexander I. den Takt an. Napoleon entkam von seinem Verbannungsort, und wurde wieder besiegt und erneut auf eine Insel weiter weg gebracht. Das Kapitel war nun beendet.

Beim Wiener Kongress fand auch Marias verwitwete Tochter Katharina von Oldenburg einen neuen Ehemann, sie ehelichte Kronprinz Wilhelm von Württemberg. Auch die jüngste Tochter Anna heiratete. Sie wurde Mitglied des niederländischen Königshauses und später Königin. Marias dritter Sohn Großfürst Nikolaus wurde, wie vor dem Krieg abgemacht, mit Prinzessin Charlotte von Preußen vermählt. Die neue Schwiegertochter gewann Marias Herz im Sturm. Charlotte, jetzt Alexandra Fjodorowna, schaffte das was keine ihrer zwei Schwägerinnen geschafft hatte, sie bekam einen Sohn, den nachmaligen Alexander II. Dieses Enkelkind war Marias Liebling.

Maria besuchte nach 36 Jahren wieder ihre Heimat Württemberg. In Stuttgart und Ludwigsburg sah sie Teile ihrer Familie und ihre Tochter Katharina, die inzwischen Königin geworden war. Nachdem Maria wieder in Sankt Petersburg angekommen war, erreichte sie eine die Nachreicht das ihre Tochter Königin Katharina gestorben war. Sie hatte nun ihre vierte Tochter überlebt. Dann lies sich auch noch Sohn Konstatin von seiner in der Schweiz lebenden, vor ihm geflüchteten Gattin Anna scheiden. Er vermählte sich erneut mit einer polnischen unebenbürtigen Adligen. Maria hatte der Verbindung nur zugestimmt, weil Konstantin auf die Thronfolge zugunsten Nikolaus verzichtet hatte. Kaiser Alexander I. hatte sich ganz von der Welt zurück gezogen und starb kurz darauf. Seine Witwe Elisabeth überlebte ihr nur eine paar Monate. Maria war zutiefst schockiert, wieder eines ihrer Kinder zu Grabe zu tragen und brach zusammen.

Der Thronwechsel verlief auch nicht so wie erwartet. Anstatt auf Nikolaus wurden die Menschen auf Konstantin eingeschworen. Der war aber in Polen und wollte nicht Kaiser werden. Die Unsicherheit machten sich Umstürzler zu nutzen und der Dekabristen-Aufstand brach los. Nikolaus I. lies mit Kanonen auf die Aufständler schießen, was Maria fürchterlich fand. Kaiser Nikolaus I. siegte zwar, doch der Preis an Menschenleben war hoch. Bei der Krönung von Nikolaus spielte Maria ihre letzte groß Rolle. Ihre letzten Lebensjahre wurden durch Marias wachsende Anzahl von Enkelkindern. die sie gern und oft um sich hatte, verschönert. Sie baute aber immer mehr ab. Kaiserinmutter Maria Fjodorowna starb mit 69 Jahren in ihrem geliebten Pawlowsk, was auch ihr Vermächtnis ist.

Im Anhang des Buches findet sich noch der Anhang, mit  Zeittafel, Glossar, Anmerkungen, Bibliografie sowie das Personenverzeichnis.
 


 Meine Meinung:
 
Mir hat das Buch sehr gut gefallen.
Viel Geschichte, viel Maria/ Sophie Dorothea.
Eine leider wenig bekannte Deutsche Kaiserin, hoffentlich wird dieses Buch das ändern.
Maria Fjodorownas Leben wird mit vielen Zitaten sowie Auszügen
aus Briefen und Tagebüchern erzählt.
Interessant sind auch die Beziehungen zwischen den Romanows
und der Württembergischen Herrscherfamilie.
Die soziale Wohltätigkeit der Kaiserin wird ebenso ausführlich beschrieben.
Die 20 Abbildungen sind positiv hervorzuheben,
darunter auch Fotos der künstlerischen Werke Marias.
Negativ fällt dagegen auf, dass es keinen Stammbaum gibt.
Bei so vielen Verwandten wäre das sehr hilfreich.
Marianna Butenschön schreibt hoffentlich an weiteren Büchern
über Russlands Zarinnen.
DIE Biographie über die Württembergerin auf dem Zarenthron!
 
 
 
Erhältlich bei: Theiss Verlag oder im Buchhandel



Buch-Information
Verlag: Theiss (2015), 424 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-8062-3047-5, Sprache: Deutsch, Format: 14,5 x 21,7 cm
Preis: 24,95 €

1 Kommentar:

  1. Ein interessantes Buch, doch leider etwas verwirrend, da es keine Stammbäume oder etwas in der Richtung gibt, was ich sehr schade finde, da sich die Namen der Personen oft wiederholen und ich es verwirrend finde, welcher Alexander oder welche Katharina gemeint ist.

    Herzliche Grüße

    Andrea

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